Verlegung am 06.03.2018

Der Künstler Gunter Demnig verlegte am

 

Dienstag, den 6. März 2018,

zum Gedenken der Opfer

fünf Stolpersteine in Holzwickede für

 

Friedrich Ellerkmann, Nordstraße 19, geboren am 27.12.1908

 

mit dem Handicap einer leichten Intelligenzminderung, besuchte zunächst die Volksschule. Die genauen Umstände, warum der Junge nach der Schulentlassung in den Wittekindshof Bad Oeynhausen kam, sind nicht belegt. Bis zu seinem 28. Lebensjahr wird er dort in den diversen Werkstätten gearbeitet haben. Am 01.04.1937 wurde er in die Provinzial­heilanstalt Warstein verlegt, da Sparmaß­nahmen des Provinzialverbandes die kirchlichen Träger dazu zwang, ihren Patientenbestand stark zu reduzieren, um den in den Provinzialanstalten zu erhöhen. Spätestens 1941 wird die Anstalt Warstein für den Holzwickeder einen Meldebogen für die Berliner Euthanasiebehörde ausgefüllt haben, womit sein Schicksal besiegelt war. Am 26.07.1943 wurde Friedrich Ellerkmann in die hessische Anstalt Weil­münster verlegt, wo er unter unmensch­lichen Bedingun­gen noch neun Monate lebte. Am 30.04.1944 verstarb er in dieser Hölle. Die in seiner Sterbeurkunde angegebene Todesursache „Lungenentzün­dung“ verschleiert, dass diese sehr wahrscheinlich auf permanenten Nahrungs­entzug bei vorsätzlicher Behand­lungsver­weigerung zu­rückzuführen war. Sehr wahrschein­lich ist, dass der Ster­beprozess durch eine Medikamentenüberdosis beschleunigt wurde.

 

Stolperstein Friedrich Ellerkmann

Foto: © Hermann Volke

 

Ludwig Himpe, Hauptstraße 8, geboren am 16.10.1898

 

mit einer Intelligenzminderung, wurde nach der Einschulung in der Aloysiusschule „mitgezogen“, war aber kaum in der Lage, ausreichende Leistungen zu erzielen. Schnell wurde er Vollwaise. Seine Stiefmutter war mit dem renitenten und aggressiven Jungen überfordert und wandte sich an den „Armenarzt“, der die Anstalts­einweisung anordnete. Im St. Johannesstift Nieder­marsberg besuchte er die Anstaltsschule, wo er durchaus Fortschritte machte, ausgeglichener wirkte und den Willen zeigte zu lernen. 1913 wurde der Jugendliche in das St. Josefsheim Burgwaldniel (bei Mönchengladbach) verlegt, eine An­stalt des Franziskaner-Ordens. Nach der durch die Nazis erzwungenen Schließung des Heims wurde Ludwig Himpe, inzwischen 38 Jahre alt, in die Heilanstalt War­stein verlegt, wo er als „lebensunwert“ abgestempelt und in die hessische Anstalt Weilmünster weiterverlegt wurde. Dort lebte er unter extremer Mangelernährung noch 3 ½ Monate. Sein systematisch am 12.11.1943 herbeigeführter Tod trat vermutlich nach einer Giftdosis ein.

 

Stolperstein Ludwig Himpe

Foto: © Hermann Volke

 

Karl Klönne, Sölder Straße 31, geboren am 28.09.1922

 

kam gesund auf die Welt, erkrankte aber im Alter von zwei Jahren an einer Gehirnentzündung, wahrscheinlich infolge einer damals grassierenden Epidem­ie. Von nun an litt er an starker Unruhe und konnte dem Schulunterricht kaum folgen. Als er elf Jahre alt war, stellten ihn die Eltern erst­mals der psychiatrischen Außenfürsorge beim Gesundheitsamt Unna vor, 1935 wurde er „in An­staltserziehung“ übernom­men. Im St. Johannesstift Marsberg zeigte er durchaus „befriedigende bis ziemlich gute“ Schulleistungen bei einer durchschnittlichen Intelligenz. Nachdem er – als 15-Jähriger – zwangssterilisiert werden sollte, schritt sein Vater ein und erhob Widerspruch mit der Begründung, sein Sohn sei nicht erbkrank. Darauf lud das Erbgesundheitsgericht Karl Klönne selbst vor und stellte das Verfahren ein. 1939 verlegte man Karl Klönne dennoch in die Provinzialheilanstalt Warstein, wo er in die Mühlen der „Euthanasieaktion“ geriet. Am 24.07.1941 traf er in der An­stalt Eichberg in Eltville ein; dort verstarb er am 31.01.1942 im Alter von 19 Jahren nach einer monatelangen Tortur, die von Mangelernährung, desolaten Hygieneverhältnissen und Verwahrlosung geprägt war. Sein Hungertod wurde bewusst herbeigeführt.

 

Stolperstein Karl Klönne

Foto: © Hermann Volke

 

Wilhelm Lohöfer, Landskroner Straße. 23, geboren am 17.04.1910

 

begann nach der Schulentlassung eine Ausbildung als Former, anschließend arbeitete er als Bergmann auf der Zeche Achenbach. Etwa seit dem 15. Lebensjahr traten gelegentliche Anfälle auf. Dies allein war bereits 1936 Grund genug, den Antrag auf Sterilisierung zu stellen, die vom Erbgesundheitsgericht angeordnet und im Städt. Krankenhaus Hamm durchgeführt wurde. Noch im gleichen Jahr wurde er zwangsweise in die Provinzialheilan­stalt Warstein eingeliefert. Da die Mutter an der gleichen Erkrankung litt, wurde er 1940 als „erbkrank“ abgestempelt und an die Berliner Euthanasiebehörde gemeldet. Das war sein Todes­urteil. Am 14.07.1941 wurde Wilhelm Lohöfer in einem Sammeltransport in die hessische An­stalt Weilmünster verlegt, von wo er am 21.08.1941 in die Tötungsanstalt Hadamar gebracht wurde. Nach seiner Ankunft kam er sofort in die Gaskammer.

 

Stolperstein Wilhelm Lohöfer

Foto: © Hermann Volke

 

Josef Kaup, Landweg 57, geboren am 18.12.1915

 

verlebte eine völlig unauffällige Kindheit. Erste Anzeichen einer psychischen Erkrankung machten sich erst nach seiner Schulentlassung während seiner Ausbildung als An­streicher bemerkbar. Nach Einschaltung eines Nervenarztes kam er 1933 in die Provinzialheilanstalt Marsberg, wo er acht Jahre verblieb. Infolge einer „erbbiologischen Erfassung“ wurde ein Verfahren vor dem Erbgesundheitsgericht Dortmund auf Unfruchtbarmachung eröffnet; wahrscheinlich ist, dass Josef Kaup als „Erbkranker“ zwangssterilisiert wurde. Spätestens 1941 wurde er in einer reichsweit laufenden Aktion vom An­staltsdirektor an eine Reichsbehörde in Berlin gemeldet und dort als „lebensunwert“ abgestempelt. Am 29.06.1941 wurde er in einem Sammeltransport von Marsberg in die hessische Anstalt Weilmünster verlegt, die als Zwischenanstalt fungierte. Am 31.07.1941 fuhr ein grauer Bus mit verhängten und überstrichenen Fenstern im An­staltsgelände vor. Alle für die Verlegung ausgewählten Patienten, darunter Josef Kaup, hatten vorher mit Tintenstift ihren Namen auf den nackten Rücken geschrieben bekommen, um die spätere Identifikation zu erleichtern. Nach dem Einstieg ging die Fahrt ins nicht weit entfernte Hadamar. Es gibt keinen Zweifel, dass er dort am gleichen Tag in der Gaskammer der Heilanstalt ermordet wurde. Josef Kaup durfte nur 25 Jahre leben.

 

Stolperstein Josef Kaup

Foto: © Hermann Volke

 

Autor: Ulrich Reitinger