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Verlegung am 05.06.2023

Der Künstler Gunter Demnig verlegte am

 

Donnerstag, den 05.06.2023,

zum Gedenken der Opfer

fünf Stolpersteine in Holzwickede für

 

Friedrich Gehrmann, Holzwickede, Chaussee 124, geboren am 26. April 1909

in Holzwickede, war Bergmann und aktives Mitglied des Reichsbanners Schwarz-Rot-Gold, eine der SPD nahestehenden republikanischen Selbstschutzorganisation. Am Tag der Scheinwahl zum Reichstag am 29. März 1936 wurde er von Nazi-schlägern mit Gewalt aus seinem Elternhaus in ein Auto gezerrt und mit dem Vorwurf konfrontiert, er habe „falsch gewählt“. Unter Schlägen wurde im angedroht, erschossen zu werden, wenn er nicht zugebe, nicht Hitler gewählt zu haben. Auf der Fahrt Richtung Ruhr wurde er zweimal aus dem Auto gezerrt. An einem Schießstand wurde er verprügelt und an der Wellenbadbrücke in die Ruhrwiesen gestoßen. Gehrmann blieb standhaft. Die Peiniger fuhren mit ihm weiter und hielten schließlich an der Ruhr. Als er schließlich unter der Einwirkung weiterer Schläge bekannte, „ungültig“ gewählt zu haben, wurde er noch heftiger geschlagen; dann ließ man ihn völlig erschöpft und bewusstlos in einer Böschung liegen. Er versteckte sich im Dunkeln im Ufergestrüpp, so dass ihn SA-Hauptsturmführer R. vergeblich suchte. Die Täter fuhren nach Holzwickede zurück. Gehrmann brauchte in der nasskalten Nacht vier Stunden für seinen Nachhauseweg und traf in den Morgenstunden, vollkommen erschöpft und am ganzen Körper entstellt und gerötet, in der Wohnung seiner Eltern ein.

 

Friedrich GehrmannFoto: © Hermann Volke

 

Friedrich Rump, Holzwickede, Wilhelmstr. 37, geboren am 21. Mai 1875

in Hengsen, wurde von denselben Tätern ebenfalls am 29. März 1936 beschuldigt, zu den „Nein-Sagern“ zu gehören. Den damaligen Invaliden wurde seine frühere Tätigkeit als Gewerkschaftssekretär und Kassierer des Christlichen Bergarbeiterverbandes zum Verhängnis. Nachdem auch er in das Auto gezerrt wurde, schlugen die Täter sofort auf ihn ein und drohten ihm an, er werde gleich erschossen. In Opherdicke stoppte man an einem Zechenschacht, schlug den Wehrlosen zusammen und ließ ihn liegen. Friedrich Rump raffte sich mühsam auf und machte sich auf den Weg nach Hause, wo er gegen sechs Uhr morgens, am ganzen Körper bis zur Unkenntlichkeit entstellt und voll blutunterlaufener Stellen, in seiner Wohnung eintraf. Aus lauter Angst holte er keinen Arzt, sondern ließ sich von einem Sanitäter notdürftig behandeln.

 

Friedrich RumpFoto: © Hermann Volke

 

Hermann Franke, Holzwickede, Nordstr. 21, geboren am 22. Dezember 1909


in Holzwickede, erkrankte als bereits Kleinkind an Kinderlähmung und litt an schlimmen Anfällen. Die Eltern verließen Holzwickede noch vor seiner Einschulung Richtung Rheinprovinz. Sie dürften mit der Pflege und Betreuung des Kindes überfordert gewesen sein, und so kam der Junge mit zehn Jahren nach Süchteln (Stadtteil vom Viersen) in die Provinzialheilanstalt Johannistal. Nach weiteren Anstaltsaufenthalten in Essen und Waldbreitbach kam er 1936 zurück nach Süchteln. Dort wurde er im Rahmen des „Euthanasie-Programms“ der Nazis als „lebensunwert“ gebrandmarkt. Im Mai 1941 kam der inzwischen 31-Jährige in die Zwischenanstalt Andernach, von wo aus er am 18. Juni 1941 in die Vernichtungsanstalt Hadamar verschleppt wurde. Dort wurde er am selben Tag in der Gaskammer ermordet. Laut Beerdigungsbuch der Stadt Herdecke wurde seine Asche im Juli 1941 nach Herdecke überführt und beigesetzt. 

 

Herrmann FrankeFoto: © Hermann Volke

 

Gustav Gottlieb Schmidt, Holzwickede, Rausinger Str. 26 (ca.), geboren am 9. Oktober 1908

in Holzwickede, entstammte einem Lehrerhaushalt. Sein Vater unterrichtete in der Präparanden-anstalt. Die Familie verließ Holzwickede bereits vor seiner Einschulung. Gustav Gottlieb Schmidt studierte später Erziehungswissenschaften. An der Hochschule in Braunschweig schloss er sich bereits vor Hitlers Machtantritt der „Sozialistischen Studentenschaft“ an, die den Kommunisten nahestand. Nach dem Tod eines SS-Mannes wurden als Vergeltungsmaßnahme in Braunschweig 400 „Marxisten“ verhaftet. Nach tagelanger Folterung wurden am 4. Juli 1933 zehn Häftlinge ausgesucht, an denen ein Exempel statuiert werden sollte, darunter zählte auch Schmidt. In dem Dorf Rieseberg, wohin die Männer in einen Hof verschleppt wurden, soll sich Schmidt selbst erhängt haben. Es gilt allerdings als wahrscheinlicher, dass er mit einem Strick um den Hals gefoltert wurde und daran gestorben ist. Alle anderen Gefangenen wurden erschossen.

 

Gustav Gottlieb SchmidtFoto: © Hermann Volke

 

Wilhelm Allerdissen, Holzwickede, Rausinger Str.111, geboren am 20. August 1904

in Holzwickede, engagierte sich im Reichsbanner Schwarz-Rot-Gold. Im Frühjahr 1933 wurde er nachts mit vorgehaltener Pistole von einer Gruppe von SS- und SA-Leuten in seiner Wohnung aufgesucht. Nach dem Öffnen der Tür erhielt er sofort einen Schlag mit einem Knüppel ins rechte Auge und brach zusammen. Ein Polizeibeamter versuchte, eine weitere Eskalation zu verhindern und wurde daraufhin selbst von den Nazis bedroht. Auf dem Weg zum Rathaus wurde Allerdissen weiter geschlagen und getreten. Zwei Jugendfreunde hatten die Szene beobachtet, begleiteten die Gruppe und setzten sich für Allerdissen ein, so blieb ihn die Verschleppung ins KZ erspart. Ihm wurde von der Polizei dringend davon abgeraten, Anzeige gegen die Schläger zu erstatten. Am folgenden Tag tat er dies trotzdem und wurde nun selbst zu einer Geldstrafe verurteilt, die er nicht zahlen konnte und in der Steinwache Dortmund absaß. Er überlebte die Attacke, trug aber eine schwere Augenverletzung davon.

 

Wilhelm AllerdissenFoto: © Hermann Volke

 

Ernst Wiedemann, Holzwickede, Natorper Str. 1, geboren am 26. März 1896

in Sölde, war Bergmann und trat schon als junger Mann der KPD und der Gewerkschaft bei. Schon kurz nach Hitlers Ernennung zum Reichskanzler wurde er wegen „Widerstandes und Beleidigung“ politisch auffällig. Am 30. Juni1933 starteten die Nazis einen Zugriff auf die KPD-Ortsgruppe Holzwickede. Wiedemann wurde zusammen mit drei weiteren Widerständlern verhaftet. Bei seiner Verhaftung schlugen ihm zwei Polizeibeamte einige Zähne aus und verschleppten die Gruppe ins KZ Bergkamen-Schönhausen. Dort dokumentierte man, Wiedemann sei ein „sehr scharfer Vertreter seiner Partei“. Nach einer weiteren Inhaftierung im Gerichtsgefängnis Kamen kam er zurück, um schließlich ins berüchtigte KZ „Börgermoor“ verschleppt zu werden. Im Außenlager Esterwegen wurde er von der Wachmannschaft körperlich und seelisch misshandelt und zu schwersten Arbeiten im Moor gezwungen. Am 23. Dezember 1933 wurde er entlassen. In Holzwickede blies ihm danach kalter Wind ins Gesicht. Durch seine kommunistische Vergangenheit hatte sich der unangepasste Holzwickeder den Ruf eines Querulanten erworben. Seine Arbeit hatte er verloren und bekam keine Chance, sich neue zu besorgen. Ernst Wiedemann überlebte die Nazizeit und starb 1957 in Holzwickede.

 

Ernst WiedemannFoto: © Hermann Volke

 

Texte: Ulrich Reitinger